Sonntag, 27. Oktober 2013

Rezension: Facebook, Blogs und Wikis in der Schule

Philippe Wampfler, der Autor des Buchs Facebook, Blogs und Wikis in der Schule, ist Gymnasiallehrer und (wer seinen Blog besucht, wird dies deutlich erkennen) digitaler Praktiker.

Wer sein 174 Seiten langes Taschenbuch liest, den erwartet jedoch keine Darstellung von Nutzungsmöglichkeiten für den Unterricht. Vielmehr wird grundlegend das Nutzungsverhalten junger Menschen mit digitalen Medien analysiert und allgemeine Phänomene und Entwicklungen thematisiert, die sich in Bezug auf Facebook & Co. ergeben. Der Bezug zur Schule ist häufig nur indirekt zu finden. Es ist eher eine Klientelbeschreibung. Wie ticken unsere Schüler? Wie lernen sie heute und warum verhalten sie sich so, wie sie es tun?
Wichtige Merkmale des Web 2.0 werden dargestellt, die Relevanz für die Gesellschaft im Allgemeinen und für junge Menschen im Besonderen wird verdeutlicht. Zuweilen werden die Betrachtungen regelrecht philosophisch.

Dabei ist das Buch keine unreflektierte Lobeshymne auf soziale Medien! Zahlreiche problematische Aspekte, wie beispielsweise die (verlorene) Privatsphäre in sozialen Netzwerken, werden diskutiert. Das Kapitel "Interaktionen mit Schülerinnen und Schülern auf Social Media", als weiteres Beispiel, weist vorwiegend auf Gefahren hin. Diese sind in der aktuellen Diskussion um ein Verbot des Umgangs von Lehrern und Schülern über soziale Netzwerke (aktuell in Bayern und Baden-Württemberg) in den Medien zu verfolgen. Wampfler fordert hier zwar kein Verbot sondern klare Regeln, die Grundstimmung des Kapitels lässt aber eine eher ablehnende Tendenz erkennen.

An vielen anderen Stellen weist der Autor aber auch auf die erheblichen Vorteile hin, die soziale Medien für Lehrer untereinander bzw. Schüler untereinander bieten. Der Aufbau eines individuellen Lernnetzwerks wird hier besonders hervorgehoben.

Ein weiteres erwähnenswertes, weil deutlich schulbezogenes, Kapitel ist das über ein mögliches Social Media Profil einer Schule.
Die Möglichkeiten und Gefahren werden angeführt, bleiben aber recht allgemein. Vor allem die möglichen Ziele/Vorteile bleiben vage.

Wampflers Buch entstand beim Führen seines Blogs, was sich an vielen der 77 Abschnitte des Werkes noch erahnen lässt, haben die einzelnen Texte doch häufig Blogpostlänge und behandeln einen abgeschlossenen Gedankengang. Für einen Ratgeber ist das optimal. Nimmt man ihn immer wieder mal zur Hand, ist die Kleingliedrigkeit von Vorteil.

Der Autor schildert nicht nur seine eigenen Ansichten sondern lässt noch eine Vielzahl anderer Personen zu Wort kommen. Er zitiert gerne und häufig. Das Literaturverzeichnis liest sich (neben den Belegen zu diversen Studien) wie das ¨Who-is-who¨ des deutschsprachigen Bildungsbloggertums. Ein weiteres Merkmal der blogbezogenen Entstehung des Buches. Ich persönlich empfinde die dadurch entstehende Abwechslung als durchaus bereichernd.

Zum Schluss sei noch die Frage aufgeworfen, für wen sich die Lektüre dieses Buchs empfiehlt.
Wer die JIM-Studie und ähnliche Erhebungen gelesen und den aktuellen Stand der Diskussion zum Thema verfolgt, wird hier nur bedingt Neues erfahren.
Wer zu dem Thema noch gar nichts weiß, wird hingegen in viele Facetten eingeführt und mit den Gefahren vertraut gemacht. Ob die beschriebenen Vorteile einem gänzlich unerfahrenen Leser jedoch klar werden, ist zweifelhaft. Hier wird durchaus Vorwissen verlangt, um der Diskussion folgen zu können. Die Vorschläge zum Aufbau eines Lernnetzwerks sind gut, die angedeuteten Einsatzmöglichkeiten im Unterricht tadellos aber für letztgenannte Lesergruppe in der Kürze nicht nachvollziehbar.
Am ehesten empfehle ich deshalb das Werk Lehrern, Eltern und anderen am Lernen und an Social Media Interessierten, die sich ein wenig mit der Materie auskennen. Durch die Breite der Themen, die in den zahlreichen Kapiteln behandelt werden, ist für jeden etwas dabei.

Ich hätte mir bei einem Buch mit diesem Titel eine stärkere Fokussierung auf die Einsatzmöglichkeiten von Social Media im Unterricht gewünscht. Hier finden sich nur wenige Seiten. Ferner bleiben die Ausführungen eher auf einer Metaebene und der Blick in den Klassenraum entsprechend unkonkret.

Ich bedanke mich beim Autor für die Zusendung des Rezensionsexemplars.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Lehrers Wunsch nach verlässlicher Technik

Jöran Muuß-Merholz, hielt auf der Openmind-Konferenz im August 2013 einen Vortrag mit dem Titel "Warum die Digitale Revolution des Lernens gescheitert ist". Eine seiner Aussagen ist mir besonders im Gedächtnis geblieben und hat mich bewogen, diesen Blogbeitrag zu schreiben.

"Wenn Technik nur zu 90% funktioniert wird sie von Lehrern nicht genutzt." 
(Eigentlich war das Zitat etwas länger. Die Kernaussage wird aber wohl auch so deutlich.)

Im Rahmen meiner kollegialen Medienberatung habe ich die Erfahrung gemacht, dass dies tatsächlich einer von mehreren Gründen ist, warum die Bereitschaft von Lehrern abnimmt, Technik einzusetzen. Das hört sich für Außenstehende erst mal seltsam an. Warum braucht diese Berufsgruppe so zuverlässige Technik? 90% ist doch schon mal was. Ich wünschte, mein PC würde das schaffen.
Diese Entscheidung von Lehrern beruht auf zwei Überlegungen:
  • Zum einen ist der Druck der curricularen Obligatorik groß. Wer wertvolle Unterrichtszeit durch fehlerhafte Technik verliert, läuft Gefahr, seinen Unterrichtsstoff nicht durchzubekommen.
  • Zum anderen empfinden viele Kollegen Situationen, in denen sie nicht ¨Herr der Lage¨ sind als Gesichtsverlust gegenüber ihren Schülern. Schüler nehmen dies übrigens ebenso war. Äußerungen wie ¨Herr/Frau xy hat mal wieder versucht einen Computer zu benutzen - ein einziges Fiasko¨, hört man gelegentlich in Flurgesprächen zwischen Schülern. 

Diese Überlegungen sind im Übrigen auch die Ursache für die folgenden andere Gründe, die Lehrer nennen, wenn sie über geringen Technikeinsatz in ihrem Unterricht berichten.
  • Mangelnde Kenntnisse im Umgang mit Technik
  • Das Vergessen der Kenntnisse, wenn die Technik nur selten im Unterricht verwandt wird
Auch hier schwingen fast immer Zeitmangel und Angst vor Gesichtsverlust gegenüber den Schülern mit.


Lösungsansätze:

1. Technik verbessern.
  • Die oben angeführten 90% sind für eine Schule schon ein ganz ansehnliches Ergebnis. Um dies zu erreichen müssen finanzielle Mittel und Arbeitsstunden zur Anschaffung, Administration und Wartung der Technik zur Verfügung stehen.
  • Ferner ist eine klare Zuordnung der Zuständigkeien wichtig. Wenn ein Lehrer fehlerhafte Technik melden kann und sich darauf verlassen kann, dass diese zeitnah wieder in Ordnung gebracht wird, wird seine Bereitschaft, dieses Gerät einzusetzen, nicht so stark abnehmen.
  • Schulische Technik sollte möglichst einfach bedienbar und wenig anfällig sein. Jöran Muuß-Merholz hierzu: 



Da ich selbst kaum Erfahrungen mit Geräten der Firma Apple besitze, werde ich das mal unkommentiert stehen lassen. 

2. Förderung der Medienkompetenz der Lehrer 
Wenn ein Gerät nicht so funktioniert, wie es soll, liegt das nicht immer an der Technik. Das Wissen um die Funktionsweise und die Fähigkeit, kleinere Hürden zu umschiffen, sind Aspekte einer Medienkompetenz, die ein Lehrer beim Einsatz im Unterricht haben sollte. Je souveräner der Umgang mit digitalen Geräten ist, desto seltener kann Unterricht durch unerwartetes Verhalten der Technik gesprengt werden.

3. Verringerung der Obligatorik
Wer weniger verpflichtende Themen in seinem Unterricht behandeln muss hat mehr Zeit für aktuelle Themen, für neue Methoden und natürlich auch für erste Schritte in der digitalen Unterrichtswelt.


Fazit:
Meiner Meinung nach ist die Bereitstellung gut funktionierender Technik die Grundlage für digitale Arbeit im Unterricht. Werden die unter dem Punkt 1. genannten Lösungsansätze zur Verbesserung der Technik nicht beherzigt, werden es immer nur einige wenige technikaffine Lehrer sein, die ihre eigenen Tablets und Beamer anschließen oder mit veralteten Laptopwagen Schüler von Problem zu Problem begleiten. Maik Riecken fasst dies in 140 Zeichen auf seine Weise zusammen:

Ist diese Grundlage geschaffen (oder zumindest absehbar), kann eine gezielte, dauerhafte und durch kurze Wege gekennzeichnete Stärkung der Medienkompetenz der Lehrer auf fruchtbaren Boden fallen.
Dass diese Kompetenzförderung vonnöten ist, zeigen zahllose Beispiele aus den letzten Jahrzehnten. An vielen Schulen wurden teure Computerräume, Laptopwagen oder gar -klassen eingeführt, ohne für eine hinreichende Weiterbildung des Kollegiums zu sorgen. Die Folge sind frustrierte Schüler, Lehrer und Eltern und jede Menge verwaister Geräte. Eigentlich ein alter Hut. Und schlimm genug: immer noch aktuell.

Es gibt noch zahlreiche weitere Gründe, die Lehrer dazu bewegen, keine Technik einzusetzen. Diese haben jedoch, anders als die oben genannten Gründe, zum Teil andere Ursachen. Eine wunderbare Übersicht hat Beat Doebeli Honegger hier entstehen lassen. Zwar werden dort Argumente gegen eine 1:1-Ausstattung aufgezeigt, viele dieser Bedenken lassen sich aber auch grundsätzlich auf den Einsatz von Technik in der Schule übertragen.